Es ist Samstagnachmittag 14.00 Uhr.
Die Blumen im Garten der Eurythmieschule in Zehlendorf blühen in allen Farben und unsere über 20 Chormitglieder trudeln aus verschiedenen Teilen Berlins, aus Potsdam und Kleinmachnow ein. Ein freudiges Begrüßen und Stimmengewirr auf Spanisch, Portugiesisch und Deutsch schallt durch den Probenraum.
Hier finden wir hervorragende Bedingungen vor wie einen großen Probenraum mit Flügel, eine Bühne und kleinere mit Klavier ausgestattete Probenräume. Und als Zugabe – einen Blick ins Grüne.
Unser Chorleiter Frank Szafranski ruft zur Ruhe und beginnt mit der Stimmbildung. Immer wieder überrascht er uns mit anderen Methoden der Körperarbeit und gesangstechnischen Übungen, um unseren Körper zu erfahren, den Weg der Atmung zu verfolgen und uns zu entspannen. Es folgen Intonationsübungen und das Einsingen. Frank Szafranski überzeugt mit Professionalität, Empathie, guter Laune und konstruktiver Kritik. Seit 2000 ist er Mitglied des Chores der Staatsoper Unter den Linden Berlin.
Wir beginnen mit den Proben für die neue Stücke. Zurzeit studieren wir ein internationales Programm mit Liedern in spanischer, portugiesischer, galizischer, französischer und englischer Sprache von Komponisten aus dem 15. Jahrhundert bis zur Neuzeit ein. Wir kommen gut voran, denn Noten lesen und eine gute Vorbereitung zu Hause sind erwünscht. So haben wir Zeit, uns schwierigen Stellen, der Aussprache und der Interpretation zu widmen.
Nach einer Stunde intensiven Übens machen wir Pause. Irgendjemand hat sicher schon
Kaffee gekocht. Entweder aus Anlass eines Geburtstags oder einfach nur so steht meist
Kuchen bereit. So genießen wir die Pause, uns eifrig austauschend und bei gutem Wetter im Garten.
Nach der zweistündigen Probe verabschiedet sich unser Chorleiter und wer Zeit,
Lust und Bedarf hat, bleibt noch eine weitere Stunde, um unter der Leitung eines unserer Chormitglieder schwierige Stellen zu üben oder gemeinsam ein neues Stück für die nächste Probe vorzubereiten. Dieses Ritual hat sich hervorragend entwickelt und alle sind glücklich, dass unsere Chormitglieder mit musikalischer Vorbildung uns diesen Service bieten.
Um 17.00 Uhr ist Feierabend und die neuen Stücke verfolgen uns als Ohrwürmer bis zum nächsten Samstag.
Wie begann das alles? Im Jahr 2011 traf sich im Charlottenburger Künstlerhotel Bogotá
jeden Samstag eine kleine Gruppe sangesfreudiger Menschen aus Spanien, Südamerika
und Deutschland, um spanische Populares und Villancicos zu singen. Der Probenort
wechselte zum Prenzlauer Berg und dann nach Zehlendorf. Das Repertoire erweiterte sich.
Nach dem Schwerpunkt „Spanische Renaissancemusik“ folgten sephardische Lieder,
deutsche Lieder der Romantik, populäre Lieder aus Lateinamerika und europäische Stücke aller Epochen. Immer wieder beschäftigen wir uns intensiv mit der Einstudierung von „Ensaladas“ aus dem 15. und 16. Jh. – einer Mischung von Lied- und Textzitaten, darunter populären und geistlichen, solchen mit wechselndem Rhythmus, wechselnder Besetzung der Stimmen, und mit Texten, deren Stimmung zwischen besinnlich und dramatisch, zwischen Krieg und frommer Einkehr wechselt.
Damit nicht nur wir, sondern auch andere musikbegeisterte Menschen etwas von unserer Probenarbeit haben, treten wir gern mindestens zweimal jährlich auf, u.a. im Instituto Cervantes, im wundervollen Gotischen Saal der Zitadelle Spandau, in der St.-Annen-Kirche Dahlem oder auch bei der Fête de la Musique. Den letzten Schliff geben wir uns im Rahmen von ein oder zwei Probenwochenenden im Umland. Dabei gibt es reichlich Raum für intensive Arbeit, aber auch für gemeinsames Feiern und privaten Austausch. Es herrscht eine herzliche und empathische Atmosphäre und neue Chormitglieder fühlen sich schnell zu Hause.
Eine besondere Bereicherung unserer Chorarbeit ist die Zusammenarbeit mit der
Musikgruppe der Zehlendorfer Stadtgemeinschaft für Menschen mit Assistenzbedarf unter der Leitung von Maasaki Tezuka. Mit ihnen zusammen gestalten wir regelmäßig das Weihnachtsprogramm mit deutschen und spanischen Weihnachtsliedern.
Seit langer Zeit begleiten uns bei unseren Konzerten drei Instrumentalisten, die mit Flöte, Gitarre und Percussionsinstrumenten das Publikum auch mit Soli begeistern.
Höhepunkte unserer Chorgeschichte waren Chorreisen nach Verona, Barcelona, New York, Neapel und Madrid. Besuche und gemeinsame Konzerte in Berlin mit Chören aus Spanien und Lateinamerika haben unser Chorleben bereichert. Um unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern, haben wir uns im letzten Jahr gegen weitere Flugreisen entschieden und planen nun Austauschmöglichkeiten mit Chören im Inland oder zu Zielen, die mit der Bahn erreichbar sind.
Um dies alles zu organisieren, haben wir vor langer Zeit einen Verein gegründet, in den alle Chormitglieder nach der Probezeit eintreten. Ein engagierter Vorstand kümmert sich um inhaltliche, organisatorische und finanzielle Dinge. Alle anderen bringen sich nach Neigung und zeitlichen Ressourcen ein.